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Klimaziele von Unternehmen

80 % aller Treibhausgasemissionen werden durch die 57 Unternehmen verursacht.1 Für das Ziel der Klimaneutralität ist die Emissionsreduzierung großer Unternehmen der entscheidende Hebel.

Top 5 Unternehmen mit dem größten Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen

China Coal Energy
14,3 %

Saudi Arabian Oil Company (Aramco)
4,5 %

Gazprom OAO
3,91 %

National Iranian Oil Co
2,28 %

ExxonMobil Corp
1,98 %

Vollständige Liste: /kontrast.at/konzerne-co2-klima

Warum du als Investor die Klimaziele von Aktienunternehmen kennen solltest

Als Investor solltest Du ein Aktienunternehmen neben den typischen Kennzahlen wie Gewinn- und Umsatzentwicklung, KGV und Dividendenrendite auch nach seinen Klimarisiken bewerten: Wie wirkt sich ein steigender CO2-Preis auf das Geschäftsmodell, die Liquidität, die Rendite und die Wettbewerbsfähigkeit aus?

Je zielstrebiger Unternehmen ihre Dekarbonisierung verfolgen, je schneller sie ihre Emissionen reduzieren, desto weniger belasten Klimarisiken das Unternehmen. Das wichtigste Klimarisiko ist ein steigender CO2-Preis.

Ein zweites wichtiges Klimarisiko sind Klimaklagen. Umweltverbände klagen gegen Ölkonzerne, weil diese maßgeblich zur Erdüberhitzung beigetragen haben. Die Kläger fordern die Unternehmen auf, Verantwortung zu übernehmen, ihre Emissionen massiv zu reduzieren und für die durch die Erdüberhitzung verursachten Schäden hohe Schadensersatzsummen zu bezahlen.

Klimaziele einiger DAX-Unternehmen

Deutschland muss laut Klimaschutzgesetz 2045 klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es erforderlich, dass Unternehmen Ihr Dekarbonisierungsziel an diesem Ziel ausrichten. Die Sektoren »Energieerzeugung« und »Industrie« machen zusammen 91,5 % aller Treibhausgasemissionen in Deutschland aus.2 Das Essener Energieunternehmen RWE emittiert 90 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr3, das entspricht knapp 14 % aller deutschen Treibhausgasemissionen in Höhe von 674 Millionen Tonnen im Jahr 2023.4
Unternehmen Ziel Klimaneutralität bis Quelle
SAP
2030
Allianz
2050
Deutsche Telekom
2040
RWE
2040
Bayer
2050
BMW
2050
Commerzbank
2050
Mercedes-Benz
2039
Heidelberg Materials
Reduzierung der CO₂​​​​​​​-Emission pro Tonne Zement auf 400 Kilogramm bis 2030 im Vergleich zu 750 Kilogramm CO₂​​​​​​​ pro Tonne Zement im Jahr 1990
Siemens
Scope 1–2: 2030
Scope 3: kein konkretes Ziel
BASF
2050
Volkswagen
2050
Porsche
2030
(Porsches Dekarbonisierungsstrategie beinhaltet Kompensationen durch Emissionszertifikate.)
Deutsche Post AG
2050
Münchener Rück
2050
Linde
2050
Covestro
2050
Continental
2050
Henkel
Klimaneutralität Scope 1–2: 2030
Scope 3: Minus 30 Prozent bis 2030 zu 2017
Fresenius
Klimaneutralität Scope 1–2: 2040
Scope 3: kein konkretes Ziel
E.ON
2050
Adidas
2050
Anmerkungen zur Tabelle
  • Stand: 2024
  • Die Ziele zur Klimaneutralität basieren auf Angaben des Unternehmens
  • Die Ziele zur Klimaneutralität sind nicht nach Science Based Target Initiative zertifiziert. Meist sind nur Zwischenziele oder Neutralitätsziele für die eigenen Emissionen aus Produktion und zugekaufter Energie (Scope 1–2) zertifiziert, nicht aber die Emissionen der Zulieferer und die Emissionen aus der Nutzungsphase der Produkte (Scope 3). Diese Emissionen machen bis zu 95 % der Emissionen in einem Unternehmen aus.
  • Nicht transparent ist die Angabe, wie genau die Ziele zur Klimaneutralität erreicht werden sollen. Viele beinhalten Offsets, den Kauf von CO2-Zertifikaten: Ein Unternehmen gibt einer Offset-Organisation eine bestimmte Summe pro Tonne CO2. Die Kompensationorganisation sorgt dafür, dass Bäume gepflanzt bzw. nicht abgeholzt werden. Das Unternehmen darf dafür seine Emissionen in der CO2-Bilanz als nicht vorhanden bzw. ausgeglichen deklarieren. Wie hoch die tatsächliche CO2-Einsparung ist und wie viel kompensiert wird, geben die Unternehmen nicht transparent und klar genug an. Genau diese Undurchsichtigkeit führte dazu, dass der Bundesgerichtshof im Juni 2024 den Begriff »Klimaneutral« für Endverbraucher-Produkte eingeschränkt hatte. Auf die Angaben zur Klimaneutralität in Nachhaltigkeitsberichten ist dieses Urteil allerdings nicht anwendbar, da sich diese Angaben auf den zukünftigen Zustand des Unternehmens beziehen: »Wir werden 2050 klimaneutral sein«. Während sich die Angabe auf Produkten auf den tatsächlichen Zustand des Produkts bezieht: »Ich bin ein Citrus-Kokosnuss-Shampoo und bin klimaneutral hergestellt.«
»Nur die Hälfte aller Dax-Konzerne haben sich überhaupt ausreichende Ziele gesetzt. Die Ziele der anderen Hälfte sind unzureichend.«

Johannes Böhm, Nachhaltigkeitsanalyst

In der Untersuchung »Bedingt klimafit – Nur knappes Drittel der DAX 40-Konzerne mit gutem Resultat« hat die Investmentgesellschaft Union Investment die Klimaziele und die Reduktionsleistungen zwischen den DAX 40 Unternehmen in den Jahren 2017 bis 2022 untersucht.6 Das Ergebnis:

  • Neun von 39 Dax-Konzernen haben zwischen 2017 und 2022 ihre CO2-Emissionen erhöht
  • 25 Unternehmen haben ihre Treibhausgase nicht stark genug gesenkt
  • Etwa 80 % aller Unternehmen wollen bis  2050 klimaneutral sein. Sie liegen damit fünf Jahre im Verzug. Im deutschen Klimaschutzgesetz ist vorgeschrieben, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird.7
  • Am besten schnitt die Deutsche Telekom ab, Infineon und Brenntag erhielten die schlechtesten Ergebnisse

Wie steht es um die Klimaziele von Unternehmen weltweit?

Im Corporate Climate Responsibility Monitor (CCRM) 20248 wurden die Anstrengungen von 51 großen Unternehmen untersucht, Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Das Ergebnis: Die Unternehmen liegen weit vom Paris-Ziel entfernt, die globale Erdüberhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die untersuchten Unternehmen wollen ihren CO2-Fußabdruck zwischen 2019 und 2030 um durchschnittlich 30 Prozent reduzieren. Laut Weltklimarat (IPCC) ist global eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes von 48 Prozent bis 2030 notwendig. Auf dem Pfad, die Erdüberhitzung auf maximal 1,5° zu begrenzen, befinden sich nur 18 der 50 untersuchten Unternehmen. Diese 18 Unternehmen wollen ihre Emissionen um 99 Prozent reduzieren.

Besonders transparent und glaubwürdig schneiden Danone, der Energieanbieter Iberdrola und die Volvo Group ab. Die größten Probleme bereitet derzeit noch die Lieferketten. Unternehmen fällt es schwer, diese zu dekarbonisieren. In der Automobilindustrie werden 99 Prozent der Emissionen in der Wertschöpfungskette der Zulieferer verursacht, in den Bereichen Lebensmittel und Mode etwa 95 Prozent und in der Energiewirtschaft 63 Prozent.9 Sämtliche Emissionen aus den Lieferketten (vorgelagerte Wertschöpfungskette) und die Emissionen aus der Nutzung der Produkte (nachgelagerte Wertschöpfungskette) werden in der CO2-Bilanz den Scope 3 Emissionen zugerechnet.

Laut einer Untersuchung der Non-Profit-Organisation CDP und der Strategieberatung Oliver Wyman entsprechen die Emissionsziele europäischer Unternehmen einem Anstieg der globalen

Erdüberhitzung um 2,7 ° Celsius bis zum Jahr 2100.10 Dies allerdings nur, wenn die selbst gesteckten Klimaziele der Unternehmen tatsächlich erreicht werden.

Apple zum Beispiel will bis 2030 klimaneutral arbeiten, einschließlich seiner Lieferkette. Eine Maßnahme ist die Erhöhung von recyceltem Kobalt, der Anteil beträgt 57 % (Anfang 2024). Beim Lithium beträgt der Anteil 24 %. Seit 2015 hat Apple seine Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gesenkt. Bis 2030 will der Hersteller aus Cupertino seine Emissionen um 75 % im Vergleich zum Jahr 2015 reduzieren. Die restlichen 25 % sollen durch CO2-Bindung erreicht werden.11

Eine weitere Studie des Thinktanks New Climate Institute und der Umweltorganisation Carbon Market Watch kam zu dem Ergebnis, dass die Klimaziele der 24 untersuchten weltweit operierenden Unternehmen intransparent sind und nicht ausreichen, um die Erdüberhitzung auf 1,5° zu begrenzen. Zudem werden die zweifelhaften Carbon-Offsets kritisiert, welche eine tatsächliche Reduzierung der Emissionen verhindern. Ein weiteres Vergehen sehen die Studienautoren darin, dass Unternehmen ihre besonders emissionsintensive Bereiche aus der Betrachtung rausnehmen. Eine ehrliche Klimabilanzierung bezieht aber immer alle Bereiche (Scope 1–3), von der eingekauften Schraube bis hin zum getankten Benzin während der Nutzungsphase eines Autos (Scope 3), mit ein.12

Wie werden die Emissionen in der Klimabilanz (Carbon Accounting) von Unternehmen gemessen?​

Der internationale Standard für die betriebliche Bilanzierung von Emissionen in einem Unternehmen ist das Greenhouse Gas Protocol. Gemäß diesem Verfahren werden die Emissionen in drei Bereiche (Scope 1–3) unterteilt.

Scope 1

  • Summe der Emissionen aus:
  • Eigens erzeugter Energie am Standort des Unternehmens
  • Prozesse an eigenen Standorten
  • Fuhrpark und Reisen der Mitarbeitenden

Scope 2

Summe der Emissionen aus eingekaufter Energie: Strom, Wasserdampf, Fernwärme oder -kälte.

Scope 3

Vorgelagerte Emissionen durch den Einkauf von Waren und Dienstleistungen, die bei Zulieferern entstehen. Sowie nachgelagerte Emissionen, die durch den Verbrauch und die Nutzung der hergestellten Produkte und Dienstleistungen entstehen, z. B. aus der Fahrleistung eines PKW mit Verbrennungsmotor auf 200.000 km (gesamte Lebensdauer) des Fahrzeugs gerechnet.

Herausforderung Scope-3-Emissionen

Die größte Herausforderung für Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität ist es, die Scope 3 Emissionen zu reduzieren. Bei Scope 1 und Scope 2 haben es die Unternehmen selbst in der Hand, diese zu senken und klimaneutral zu werden. Die Deutsche Telekom beispielsweise will bis 2025 klimaneutral werden in Bezug auf die eigenen Emissionen (Scope 1 und Scope 2). Für die Scope 3 Emissionen (»Zugekaufte Emissionen aus der Lieferkette«) erst bis 2040.13 Bei Scope 3 Emissionen müssen Zulieferer ebenfalls klimaneutral werden, nur dann kann das Unternehmen klimaneutrale Vorleistungen und Vorprodukte einkaufen.

Wie vertrauenswürdig sind die Klimaziele von Unternehmen?

Als Investor solltest Du darauf achten, dass die Klimaziele von Aktienunternehmen nach der Science-based Targets Initiative (SBT) zertifiziert sind.14 Die SBT ist eine wissenschaftliche Methode, die zuerst fragt, welche Menge an Emissionen gespart werden müssen, um das Paris-Ziel zu erreichen. Danach wird diese Reduktionsgröße auf das einzelne Unternehmen umgelegt: Wie viel darf dieses Unternehmen noch ausstoßen? Der Net-Zero Standard innerhalb der STI legt fest, dass ein Unternehmen seine Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette (Scope 1–3) tatsächlich reduziert. Die Kompensation über einen Zertifikatehandel (Kompensation) wird nicht angerechnet. Damit wird ein Reinwaschen über das betrügerische System der CO2-Ausgleichszahlungen verhindert. Sehenswert aufbereitet in der ZDF-Doku Greenwashing mit CO2-Zertifikaten »Das Märchen von der Klimarettung«.

SBT-zertifizierte Unternehmen müssen ihre Emissionen bis 2050 um mindestens 90 % reduzieren. Als Investor kannst Du SBT geprüfte Klimaziele eines Unternehmens als »wissenschaftlich glaubwürdig« einstufen.

Neben den politischen und unternehmerischen Reduktionszielen solltest Du als Investor auch die Stimmung in der Bevölkerung wahrnehmen. Festgeklebte Menschen auf der Straße motivieren weniger zum Klimaschutz und können Widerstände gegen Klimaschutzmaßnahmen erzeugen. Nur wenn die breite Masse bereit ist, die Transformation mitzugehen und es sich für sie finanziell rechnet, können Elektroauto- und Wärmepumpenhersteller, Windkraftbetreiber und Produzenten veganer Ernährung oder nachhaltiger Dämmstoffe das Markt- und Wachstumspotenzial der Dekarbonisierung nutzen.

Ein weiterer Ansatz, das Erwärmungspotential aus der Unternehmenstätigkeit zu messen und zu bewerten, ist der implizierte Temperaturanstieg von MSCI. Die Kennzahl »Implied Temperature Rise« wurde von MSCI entwickelt. Der jeweilige Wert in Grad für ein Unternehmen kann im MSCI-ESG Tool nachgelesen werden. Microsoft z. B. steht für eine Überhitzung auf 1,4°, während Chevron für eine 3,2° überhitzte Welt wirtschaftet.15

Wie kannst Du als Investor Klimarisiken von Unternehmen erkennen und bewerten?

  • Wie emissionsintensiv ist das Geschäftsmodell derzeit? Die Zahlen zu den Emissionen von Scope 1 bis Scope 3 findest Du in den Nachhaltigkeitsberichten und Websites der Unternehmen-
  • Wie hat sich die Klimaintensität in den letzten 5 Jahren entwickelt?
  • Wie viel Tonnen CO2erzeugt das Unternehmen pro eine Million Euro Umsatz? Mit dieser Kennzahl, der Klimaintensität, kannst Du die Klimawirksamkeit von Unternehmen vergleichen.
  • Wie wirkt sich der steigende CO2-Preis auf die finanzielle Unternehmenssituation aus?
  • Wie hoch ist der implizierte Temperaturanstieg des Unternehmens?
  • Wie hoch ist das Risiko für eine Klimaklage und daraus resultierende Schadensersatzforderungen?
  • Besonders anfällig sind fossile Unternehmen wie ExxonMobil, Shell, Chevron, BP, TotalEnergies in regulierten Märkten wie USA, EU, Kanada usw. weniger betroffen sind Ölunternehmen aus China, Indien und Südamerika
  • Was ist das Klimaziel des Unternehmens? Bis wann will das Unternehmen klimaneutral sein? Ist das Klimaziel SBTI zertifiziert?
  • Wie hoch sind potenzielle Verluste im Ansehen Marke (Reputation) durch nicht nachhaltiges und klimaschädliches Verhalten?