CO2-Bilanz (Carbon Accounting)
Ist Dir als Investor die CO₂-Intensität (Klimaintensität) deines Portfolios wichtig? Bei dieser Kennzahl werden die Emissionen – in Tonnen CO2-Äquivalente – mit dem Umsatz eines Unternehmens ins Verhältnis gesetzt. Meistens werden die Treibhausgasemissionen pro eine Million Umsatz angegeben. Damit lassen sich Unternehmen in ihrer Klimaintensität vergleichen. Bei der Aktienauswahl kann neben den klassischen Finanzkennzahlen wie Umsatz- und Gewinnwachstum, Rentabilität, Margen, Dividende und KGV die CO2-Intensität ein Entscheidungskriterium sein. Voraussetzung für die Vergleichbarkeit der Klimaintensität von Unternehmen ist, dass alle CO2-Bilanzen nach einheitlichen Standards wie dem Greenhouse Gas Protocol erstellt wurden.
Als Investor solltest Du nicht nur auf den IST-Zustand der CO2-Intensität eines Aktienunternehmens achten. Wichtiger ist, wie sich die Emissionen des Unternehmens in den letzten Jahren verändert haben und wie sie sich voraussichtlich entwickeln werden. Damit kannst Du einschätzen, ob diese Entwicklung mit dem Ziel der CO2-Neutralität des Unternehmens vereinbar ist. Und ob die Klimastrategie des Unternehmens, oder eines Portfolios, zum Pariser-Klimaziel passt.
Welche Rolle spielt die CO2-Bilanz in der Dekarbonisierungsstrategie eines Unternehmens?
Die fünf Schritte zum Carbon-Accounting im Unternehmen
- Klimaziele festlegen, z. B. Klimaneutralität bis 2045.
- Messen: CO₂-Bilanz erstellen z. B. mittels Software wie senken oder PLAN A
- Reduktion: Veränderungen in den Prozessen und bei den Lieferanten vornehmen
- Berichten: Über die Fortschritte sprechen z. B. in Nachhaltigkeitsberichten, auf Aktionärsversammlungen und mit Fondsmanagern und Rating-Agenturen
Rating-Agenturen wie MSCI erstellen daraus eine Nachhaltigkeitseinstufung und für Investoren wichtige Kennzahlen wie die Treibhausgas-Intensität und den Impliziter Temperaturanstieg.
Diese Daten wiederum spielen bei der Erstellung von Nachhaltigkeits-ETFs wie ESG, SRI oder Paris-aligned eine wichtige Rolle.
Ein standardisiertes und über das gesamte Unternehmen gültiges Carbon Accounting ist zudem für die Wahrnehmung durch Investoren, Arbeitnehmern und Bewerbung und Öffentlichkeit von strategischer Bedeutung.
Was beinhaltet eine CO2-Bilanz?
Ziel einer CO2-Bilanz eines Unternehmens ist es zu erkennen, welcher Prozess und welche Tätigkeit welche Mengen an Treibhausgasen verursachen. Danach kann der CO2-Fußabdruck reduziert werden. Etwa indem ein Prozess umgestellt wird oder erneuerbare Energie statt fossiler Energie gekauft wird. Der größte Hebel für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen sind die Lieferanten bzw. die zugekauften Rohstoffe und Vorprodukte. Gleichzeitig ist die Reduktion der »zugekauften Emissionen« die größte Herausforderung. Diese Emissionen liegen nur bedingt in der Kontrolle des Unternehmens. Lieferanten müssten dazu gebracht werden, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Eventuell ist auch ein Wechsel auf weniger CO2-intensive Lieferanten abzuwägen.
Aus den regulatorischen Anforderungen wie der Offenlegungsverordnung (SFDR) und der Sustainability Reporting Standards (ESRS) im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist es für Unternehmen verpflichtend eine CO2-Bilanz zu erstellen. Zudem wird der CO2-Preis ab 2027 (EU-ETS 2) auf bis zu 400 € pro Tonne steigen. Für Unternehmen wird es demnach wirtschaftlicher, die eigenen Emissionen zu kennen und anschließend zu reduzieren. Anstatt die teurer werdenden CO2-Zertifikate im europäischen Emissionshandel zu kaufen.
Die finale Kennzahl einer CO₂-Bilanz ist die Summe von CO2-Äquivalenten (CO2e), die das Unternehmen ausstößt. Darin enthalten sind CO2, Methan, Distickstoffoxid und fluorierte Gase.
Das Greenhouse Gas Protocol – der Standard im Carbon-Accounting
Der Branchenstandard für die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen ist das 1998 entwickelte Greenhouse Gas Protocol (GHG). Die Emissionen werden dabei standardisiert in drei Kategorien, sogenannte Scopes, eingeteilt.
Scope 1
- Emissionen, die am Standort des Unternehmens erzeugt werden.
- Erdgas in Gasheizungen
- Heizkessel und Öfen
- Brennstoffe, Kühlmittel
- Prozessemissionen an eigenen Produktionsstätten z. B. Stahl und Glasproduktion
- Klimaanlagen
- Fuhrpark: Autos, Lieferwagen, LKWs, Helikopter und Flugzeuge
Scope 2
- Indirekte Treibhausgasemissionen aus Energie, die ein Unternehmen zukauft.
- Strom
- Wärme
- Wasserdampf
- Fernwärme oder Fernkälte
Scope 3
- Indirekte Treibhausgasemissionen aus dem vorgelagerten Materialeinkauf und der nachgelagerten Nutzungsphase der Produkte.
- Beispiele für vorgelagerte Scope-3-Emissionen
- Eingekaufte Waren und Dienstleistungen
- Pendeln der Mitarbeiter
- Beispiele für nachgelagerte Scope-3-Emissionen
- Investitionen
- Franchising
- Nutzungsphase der hergestellten Produkte und Dienstleistungen
- Mercedes z. B. zählt pro verkauftem Verbrenner-PKW die Emissionen aus 200.000 km Fahrbetrieb (Diesel, Benzin) zu seinen Scope-3-Emissionen.1
Für Scope 1 und 2 besteht eine Berichtspflicht. Die Angaben der Scope-3-Emissionen sind noch freiwillig. Die meisten DAX-Unternehmen weisen ihre Scope-3-Emissionen aus.
Welche Herausforderung entsteht durch die Emissionen aus dem Einkauf und der Nutzungsphase der Produkte (Scope-3-Emissionen)?
Laut Carbon Disclosure Project stammt ein Großteil der Unternehmensemissionen aus Scope-3-Quellen. Diese können etwa im Bereich Finanzdienstleistungen bis zu 100 % betragen. Beispiel: Eine Investitionsgesellschaft ist an ihrem Verwaltungssitz klimaneutral. Sie hat keine Scope-1 und Scope-2-Emissionen. Das Investitionsportfolio enthält Ölunternehmen und ist nicht CO2-neutral. Demnach machen die Scope-3-Emissionen der Investitionsgesellschaft 100 % aus. In anderen Branchen wie der Bauwirtschaft, Immobilien, Metallindustrie, dem Bergbau oder bei Agrarrohstoffen können die Scope-3-Emissionen bis zu 95 % der Wertschöpfungskette eines Unternehmens ausmachen.
Um den exakten CO2-Fußabdruck eines Unternehmens zu ermitteln, müsste für jede zugekaufte Ware oder Dienstleistung eine Lebenszyklusanalyse durchgeführt werden. Das wäre zu teuer und zeitaufwendig. Das Greenhouse Gas Protocol hilft Unternehmen, die Berechnung der Scope-3-Emissionen mittels Näherungswerten und Durchschnittswerten der Branche vorzunehmen. Diese Daten können von der Internationalen Energieagentur und verschiedenen Regierungsbehörden bezogen werden.
Keine CO2-Bilanz zu erstellen und zu veröffentlichen kann eine Methode sein, sich der Verantwortung für die Erdüberhitzung entziehen zu wollen. 20 Unternehmen, darunter 17 Ölunternehmen, sind für ein Drittel aller weltweiten Emissionen verantwortlich. Das ermittelten der Guardian-Journalist Jonathan Watts und das Climate Accountability Institute.2 Die Spitzenplätze belegen Saudi Aramco, Chevron, Gazprom, ExxonMobil, National Iranian Oil Co.3 Solltest Du die CO2-Bilanz dieser fossilen Dinosaurier finden, lass es mich wissen.