CO2-Handabdruck
Sowohl der CO2-Hand- als auch der CO2Fußabdruck sind Summen innerhalb einer Treibhausbilanz.
Der Fußabdruck ist die Beichte: »Kinder, ich habe ein Stück eurer Zukunft gegessen: Rindfleisch-Tatar in einer Boeing 787 auf dem Flug von Frankfurt nach Bali. Irgendeinen Ausgleich für meine 30.000 Diesel-Km im Jahr brauche ich.«
Der CO2-Fußabdruck benennt deine CO2-Emissionen. Oder die eines Unternehmen, eines Landes oder der Weltgemeinschaft. Es ist eine Aussage mit der Botschaft »Du richtest Schaden an. Wenn alle so leben wie du, bräuchten wir 3,15 Erden1 und müssen vor dem Hitzetot in Deutschlands Wüsten nach in die Region Nordland in Nordnorwegen flüchten. Willst du das? Nein? Dann hör auf, mit 11 Tonnen pro Jahr2 zur Überhitzung der Erde beizutragen.« Ein solcher Vorwurf lähmt, anstatt dass er motiviert zu handeln und die Emissionen zu senken. Es entsteht das Gefühl, der Kampf gegen die Erdüberhitzung ist verloren und du denkst »Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten.«
Frage »Was schaffst Du?«, anstatt »Was zerstörst Du?«
Der CO2-Handabdruck ist die Sonnenseite der Treibhausgasbilanz. »Was kannst Du Gutes tun?« Deine App zeigt Dir, dass Du nach einem Jahr des Betriebs der beiden PV-Panele im Garten 0,5 Tonnen CO2 eingespart hast. Wenn Du zudem noch hin und wieder auf Stücke vom toten Tier verzichtest, bei deinem VW-Verbrennerle die Hinterradbremsen mit Hilfe von Zeit festbacken lässt und die Fahrradbremse zum Glühen bringst, erhöhst du deinen CO2-Handabdruck.
Der Fußabdruck beziffert die emittierten Treibhausgase – den Schaden. Der Handabdruck summiert, was jemand Gutes geschaffen hat, um die Erdüberhitzung zu bremsen: die Summe der eingesparten Emissionen.
Theoretisch kannst Du deinen CO2-Handabdruck bis ins Unendliche steigern. Etwa, wenn du in deinen Sommerurlaub in Borneo eine Fläche in der Größe deines Landkreises aufforstest und der Wald 50 Jahre nicht abbrennt. Praktisch schaffst Du als Geringverdiener und vegan in Secondhand-Kleidung lebender Student der Umwelttechnologie in einer 12 Menschen- und drei Katzen-WG in Münster, deine Emissionen von 11 auf minimal sieben Tonnen pro Jahr zu reduzieren. Die sieben Tonnen verbleibenden Emissionen werden durch die allgemeine Infrastruktur, die Energieerzeugung, die Straßen und die Verwaltung verursacht.
Wir leben nicht mehr in einer Welt, wo Tätigkeiten wie das Verbrennen von Öl folgenlos bleiben. Heute hat fast alles, was wir tun, Auswirkungen auf die Zukunft. Aber viele Leute merken das nicht, sprechen nicht darüber, oder wehren sich gegen die Aussprache der fossilen Wahrheit und gegen eine ehrliche Bilanzierung des Ölverbrennens. Weil sie diese Wahrheit zu viel Geld kosten würde – wenn nicht sogar ihr Geschäfts- oder Lebensmodell unrentabel machen würde.
Frage »Was schaffst Du?«, anstatt »Was zerstörst Du?«
Statt der Fokussierung auf das Individuum müssten die großen Verursacher, die Ölunternehmen, in die Haftung genommen werden. Zudem muss die Regierung die fossilen Subventionen in Höhe von 64 Milliarden Euro pro Jahr3 stoppen, die sich wie ein negativer CO2-Preis auswirken. Diesel-Dieter zahlt zwar 45 € pro Tonne CO2 (nationaler CO2-Preis im Jahr 2024), bekommt aber über die fossilen Subventionen zwischen 70 und 690 € pro Tonne zurück. Wie eine Untersuchung des Ariadne-Projekts zeigt. Gemäß dem Prinzip: Der eine Arbeiter gräbt das Loch und der andere schüttet es gleichzeitig wieder zu.
So sehr der Münster Musterstudent das Paris-Ziel mit seinem Konsumverhalten zu erreichen versucht, er schafft es nicht. Er müsste seine Emissionen bis zum Jahr 2030 auf maximal 2,5 Tonnen reduzieren. Die gleiche Geschichte aus Sicht des Handabdrucks: Torsten M. aus Münster hat es geschafft, seine CO2-Emissionen um 40 % zu reduzieren. Dabei hat er 756 € im Jahr gespart. Jeweils gegenüber einer deutschen Anna-Normalverbraucherin. Der Emissions-Musterstudent bekommt 100 € Klimageld pro Jahr und gibt kaum Geld für teure, mit einem CO2-Preis belegte fossile Energie aus. Torsten aus Münster empfiehlt den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes, der neben den verursachten Emissionen (Fußabdruck) auch die vermiedenen Treibhausgase in Form des CO2-Handabdrucks ausgibt.
»Deutschland hat 88 % seiner Moore wiedervernässt, 94 % der Energie kommen aus Wind und Sonne, die Bauern bewirtschaften Böden mit hohem Humusgehalt, es gibt kaum noch Nutztiere und keine Subventionen mehr auf fossile Energie – Tschüss Pendlerpauschale und Dienstwagenprivileg. München hat Kopenhagen als fahrradfreundlichste Stadt in Europa überholt. Wenn wir das im Jahr 2034 in der Tagesschau hören, hätte Deutschland einen enormen CO2-Handabdruck geschaffen.