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CO2-Preis / Emissionshandel

Unser Steuersystem hatte zu lange einen blinden Fleck. Das Verschmutzen der Atmosphäre mit Kohlenstoffdioxid (CO2) durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas war kostenlos. Weltweit haben Öl- und Gasunternehmen seit 1970 ungefähr drei Milliarden Dollar Gewinn pro Tag mit diesem Verschmutzen erwirtschaftet.1 Diese Schadschöpfung wird nicht besteuert und wurde viel zu lange nicht bepreist. Seit fast 175 Jahren ist in der Wissenschaft bekannt, dass mehr Treibhausgase in der Atmosphäre zur Erdüberhitzung führen – zur Erhitzung der Oberflächentemperatur auf der Erde führen. Eunice Foote war die erste Forscherin, die vor etwa 200 Jahren den Zusammenhang der Kohlenstoffdioxid-Konzentration in der Luft und der Erwärmung der Erdatmosphäre erkannte. Der schwedische Wissenschaftler Svante Arrhenius beschrieb 1906, dass eine Verdoppelung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu einem Temperaturanstieg von 5° bis 6° führen würde. Er glaubte, dass diese Erhitzung in 3000 Jahren erreicht sein würde. Von 1850 bis 2024 dauerte es nur 175 Jahre, bis die CO2-Konzentration um 50 %, von 280 ppm auf 420 ppm, angestiegen war. Die Oberflächentemperatur liegt im Jahr 2024 um 1,2° höher als vor der Industrialisierung. Ein Forschungsergebnis der Königlich Niederländischen Instituts für Meeresforschung (NIOZ) lässt befürchten, dass eine Verdoppelung der CO2-Konzentration eine Temperaturerhöhung um bis zu 14° bewirken könnte.2 Der Weltklimarat IPCC hält einen Anstieg von 2,3° bis 4,5° für wahrscheinlich.

Der britische Ölkonzern BP wusste seit 1971, welche verheerende Wirkung das eigene Geschäftsmodell auf die Erdüberhitzung hat.3 Das Wissen der Ölkonzerne, das Appellieren der Wissenschaftler und das Protestieren von Fridays for Future und der letzten Generation führte nicht dazu, dass dieses, für die Verursacher kostenlose Verschmutzen verboten, reduziert oder bepreist wurde. Das Wirtschaftswachstum auf Basis fossiler Energie war wichtiger. Die Folgeschäden wie Hitze, Dürren, Extremwetterereignisse, die Gefährdung der Ernährungssicherheit und der Verlust der Artenvielfalt wurden in Kauf genommen.

Das Problem bisher ist, dass sich klimaschädliches Verhalten finanziell mehr lohnt, als klimafreundliches Verhalten. Die deutschen Subventionen im Verkehr, z. B. das Dieselprivileg wirkt wie ein negativer CO2-Preis in Höhe von 70 € pro Tonne CO2.4 Die Grundidee des Emissionshandels, CO2-Emissionen zu bepreisen und die Einnahmen in die Förderung klimafreundlicher Technologien wie Elektrofahrzeuge und öffentlicher Nahverkehr zu investieren, wird damit torpediert. Es müsste andersherum sein. Das Verbrennen von Erdöl muss sehr teuer werden, weil es allen schadet. Die Erlöse aus dem CO2-Preis müssen Menschen zugutekommen, die weniger Emissionen verursachen.

Was ist der Unterschied zwischen einer CO2-Steuer und dem CO2-Preis in einem Emissionshandelssystem?

Die zwei wichtigsten Konzepte zur Bepreisung von Treibhausgasemissionen sind die CO2-Besteuerung und der CO2-Preis über ein Emissionshandelssystem. Beide basieren auf dem Prinzip: »Der Verursacher muss den Schaden bezahlen.« Das Ziel »Null Emissionen« muss sich finanziell lohnen. Hohe Emissionen müssen unwirtschaftlich werden. 

Bei der CO2-Steuer wird die Höhe der Steuer anhand des CO2-Gehalts berechnet. Produkte wie Öl, Kohle, Gas, Fleisch, Milchprodukte, Zement, Stahl, Fliegen usw. werden deutlich teurer als z. B. pflanzliche Nahrung und öffentlicher Verkehr. Eine solche Steuerreform wurde in Deutschland immer wieder ins Gespräch gebracht, aber bisher nicht eingeführt. Eine CO2-Steuer würde die Vielzahl deutscher Energiesteuern vereinfachen. Würden diese Einnahmen in Form eines Klimabonus oder Klimageldes an die Bevölkerung zurückgezahlt werden, würde dies zu einer Verhaltensänderung führen. 

Die zweite Variante ist der Emissionshandel. In diesem müssen die Teilnehmer für ihre Emissionen, die bei der Produktion und Nutzung der Produktion entstehen, Verschmutzungsrechte kaufen. Die Menge dieser Rechte kann vom Staat gesteuert werden. Je weniger Rechte ausgegeben werden, desto teuer werden diese. Gemäß dem Marktprinzip von Angebot und Nachfrage. Zudem kann über die Ausgabemenge der Zertifikate exakt die Menge an Treibhausgasen definiert werden, die ausgestoßen werden dürfen. Die EU steuert also die Menge der Zertifikate in dem Umfang, wie es für das Erreichen des Zieles »Klimaneutralität bis 2050« notwendig ist. Leider reicht diese Vorgabe nicht aus, um das Pariser Klimaziel »Begrenzung der Erdüberhitzung auf nicht mehr als 1,5°« zu erreichen. Dafür müsste die EU ca. 2040 klimaneutral werden. 

Weltweit gibt es keine bedeutende CO2-Steuer. Dabei wäre eine CO2-Steuer wesentlich einfacher umzusetzen als ein bürokratisches Emissionshandelssystem. Für das europäische Emissionshandelssystem arbeiten auf europäischer Ebene über 300 Mitarbeitende. Seit  2005 gibt es in Europa das Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS 1). Dieses erfasst etwa 13 % der weltweiten Emissionen. Der Großteil der Treibhausgasemissionen werden nicht bepreist. Das Abwälzen der Folgekosten dieser Emissionen auf die Allgemeinheit und die zukünftigen Generationen bleibt für die Emittenten kostenlos und ohne juristische Folgen. Dieses Problem müsste durch einen globalen CO2-Preis gelöst werden.

Zitat: »Menschen benutzen zu viel dreckige Energie, weil sie nicht die tatsächlichen Kosten zahlen müssen, die sie damit verursachen.« William Nordhaus, Nobelpreisträger für Wirtschaft 2018

Laut IPCC müsste der Höchststand der Treibhausgasemissionen 2025 erreicht sein und bis 2030 um 43 % sinken, um das 1,5° Ziel zu erreichen. Die große Frage: Wie kann das erreicht werden? Das größte Problem dabei: CO2 zu emittieren ist zu billig. Die Lösung wäre ein marktbasierter Ansatz: Das Verschmutzen muss so teuer werden, dass es sich finanziell nicht mehr lohnt. CO2-neutrale Lösungen wie erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge, Stahlherstellung mit grünem Wasserstoff wären günstiger. 

Jede Tonne ausgestoßenes CO2 erhöht die Erderhitzung. Daraus ergeben sich Schäden in Form von z. B. Brände, Hitze, Dürren, Fluten, Ausfälle in der Landwirtschaft und so weiter. Die tatsächlichen Schäden pro Tonne CO2 sind nicht exakt zu ermitteln. Die Idee: Wenn wir den Ausstoß von CO2 nicht verhindern, dann geben wir diesem Vergehen wenigstens einen Preis. Damit erhoffen wir uns, dass es unrentabel wird, CO2 zu emittieren.

Es gibt auf der Welt mehr als 70 verschiedene CO2-Handelssysteme. China trägt mit seinen Emissionen anteilig ca. 30 % zur Erdüberhitzung bei. Der CO2-Preis in China liegt 2024 bei etwa sieben Euro je Tonne.

In den USA gibt es derzeit keinen nationalen CO2-Preis. Einzelne Bundesländer haben ein CO2-Preis-System oder CO2-Steuern. Wie etwa Kalifornien mit dem Cap-and-Trade-Programm. Zudem existieren einige Vorschläge für die Einführung eines nationalen CO2-Preises.

Was ist das Ziel eines CO2-Preises?

Das Ziel eines CO2-Preises ist es, eine Lenkungswirkung zu entfalten. Unternehmen sollen weniger CO2 emittieren. Das wird erreicht, indem dieses Emittieren durch einen steigenden  CO2-Preis zunehmend teurer wird. Im EU-Emissionshandelssystem steigt der CO2-Preis, weil die EU die Anzahl der Zertifikate nach und nach reduziert. Damit darf nicht mehr emittiert werden, als die Anzahl der Zertifikate vorgibt. Die Anzahl der Zertifikate richtet sich nach dem verbleibenden CO2-Budget aus dem EU-Klimaziel: 55 % weniger Emissionen 2030 als im Jahr 1990. Im Jahr 2050 will die EU klimaneutral sein.

Um tatsächliche Einsparungen bei den Emissionen zu erreichen, müssen beim Abschalten von Kohlekraftwerken (»Kohleausstieg«) die entsprechenden Zertifikate dafür gelöscht werden. Diese dürfen nicht erneut ausgegeben oder auf dem Zertifikatemarkt versteigert werden. Ansonsten würden die aus Kraftwerksabschaltungen eingesparten Emissionen durch eine andere Anlage emittiert werden. Der Einspareffekt wäre verpufft.

Der CO2-Preis ist das derzeit schärfste Instrument, um Unternehmen aus der CO2-intensiven Wirtschaften zu dekarbonisieren und in eine CO2-neutrale Wirtschaftsweise zu überführen.

Was ist der Europäische Emissionshandel (EU-ETS)?

Im »European Union Emissions Trading System, EU-ETS« werden die Emissionen von europaweit rund 11.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie aus 27 EU-Mitgliedstaaten, sowie Norwegen, Island und Liechtenstein erfasst. In Deutschland sind es knapp 1.900 Betriebe.5 Seit 2012 ist der innereuropäische Luftverkehr in den EU-ETS 1 einbezogen und seit 2024 der Seeverkehr.

Zusammen verursachen diese Unternehmen rund 40 % aller Treibhausgasemissionen in Europa. Bis 2050 sollen alle in der EU verursachten Emissionen mit diesem System abgedeckt sein. Europas Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen betrug im Jahr 2021 etwa 7 %. Unternehmen in Deutschland, die nicht am europäischen Emissionshandelssystem teilnehmen, bezahlen den staatlich festgelegten CO2-Preis. Dazu zählen Unternehmen aus den Bereichen Verkehr (Benzin, Diesel) und Gebäude (Heizen mit Öl und Gas). Gänzlich ausgenommen ist der Landwirtschaftsbereich. Die Emissionen aus dem Agrarsektor sind auch im EU-ETS 2 nicht berücksichtigt. Erst ein EU-ETS 3 könnte diese Emissionen erfassen und bepreisen. Der Anteil der Emissionen aus der Landwirtschaft beträgt in der EU etwa 11 %.6 In Dänemark müssen Landwirte ab 2030 pro Tonne CO2 40 € Euro Steuern bezahlen. Bis 2035 steigt diese auf 100 € je Tonne.7

Die Mitgliedstaaten geben eine entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen an die Unternehmen aus, die auf dem Markt frei gehandelt werden können. Unternehmen, die über mehr Berechtigungen verfügen, als sie für die Kompensation ihrer Emissionen benötigen, können diese überflüssigen Berechtigungen an andere Unternehmen verkaufen. Der Preis für eine Berechtigung zum Ausstoß von Treibhausgasen bildet sich durch den Handel mit diesen Emissionsberechtigungen nach dem Marktprinzip von Angebot und Nachfrage.

Der Preis für Emissionsberechtigungen (EUA) erreichte im Februar 2023 einen Rekordwert von 100,34 Euro pro metrische Tonne CO₂. Im November 2024 betrug der Marktpreis nur 73 Euro.

Im Jahr 2023 nahm die Europäische Union über den eigenen Emissionshandel EU-ETS 1 knapp acht Milliarden Euro ein.8

Gibt es Kritik am Europäischen Emissionshandel?

Aus Angst vor Abwanderung der Unternehmen wurden Zertifikate teilweise verschenkt. Zudem wurden zu viele Zertifikate verteilt. Dadurch war der Preis pro Zertifikat zu gering, um eine starke Lenkungswirkung zu erzielen. In Frankreich gab es zwischen 2013 und 2021 mindestens 49 Unternehmen, die nicht rechtzeitig die korrekte Menge an Zertifikaten abgegeben hatten. Es wurden keine Strafen gegen diese Unternehmen verhängt. Unternehmen, die es versäumen, die ausreichende Menge an Zertifikaten vorzulegen, droht eine Strafe von 100 €. Jedes System ist nur so gut, wie die Durchsetzung der Strafen.

Was ist der nationale deutsche CO2-Preis?

In Deutschland gibt es seit 2021 den nationalen CO2-Preis auf Basis des Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG). Die Höhe des CO2-Preises ist staatlich festgesetzt. Er startete bei 25 € im Jahr 2022 und endet bei 65 € je Tonne CO2 im Jahr 2026. Mit dem nationalen CO2-Preis werden die Bereiche erfasst, die nicht in den Europäischen Emissionshandel (EU-ETS 1) fallen: Wärme (Heizen) und Verkehr (Benzin und Diesel). Damit steigen die Kosten für Erdgas, Heizöl, Benzin und Diesel. Aktuell führt der nationale CO2-Preis dazu, dass Benzin ca. 13 Cent mehr kostet.9

Nationaler Preis in Tonnen CO2


2021: 25 €

2022: 30 €

2023: 30 €

2024: 45 €

2025: 55 €

2026: 65 €

Der nationale CO2-Preis in Deutschland und der Europäische Emissionshandel (EU-ETS 1) werden 2027 in den europäischen Emissionshandel 2 (EU-ETS 2) zusammengeführt. Der Think-Tank Agora Energiewende sagt dabei einen CO2-Preis von bis etwa 200 € je Tonne voraus. Am 01.01.2027 würde der Spritpreis sofort um 0,40 € steigen.10 Andere Schätzungen sehen den Preis auf bis zu 400 € steigen.11 Je stärker die Wirtschaft bis 2027 dekarbonisiert und elektrifiziert ist, desto entspannter wird die Preislage beim CO2-Preis im EU-ETS 2.

Graphische Darstellung des CO2-Preises in Europa (EU-ETS 1) ab 2005 und des deutschen nationalen CO2-Preises ab 2021. Zusammenführung beides Preissysteme in den EU-ETS 2 ab dem Jahr 2027. Darstellung welche Wirtschaftssektoren Ihre Emissionen über Zertifikate kaufen müssen.

Was ist das Klimageld?

Die Idee des Klimageldes besteht darin, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürger zurückzuzahlen.

Die Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS 1) und dem nationalen deutschen CO2-Preis betragen zusammen etwa 20 Mrd. Euro pro Jahr. Legt man diese Summe gleichmäßig auf jeden deutschen Bürger und jede Bürgerin um, so würde jeder und jede pro Jahr 250 Euro erhalten. Wichtig ist, dass diese Rückerstattung als Überweisung auf dem Konto landet und nicht kompliziert verrechnet in den Tiefen einer Steuererklärung oder einer Nebenkostenabrechnung verschwindet. Nur wenn die Summe auf dem Konto sichtbar ist, kommt die Botschaft an: »Klimaschutz lohnt sich auch finanziell«.

Die Einführung eines Klimageldes wird von der Bundesregierung immer wieder verschoben.12 Dieses Aufschieben führt zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung. Finanzminister Christian Lindner enttäuscht, indem er sagt, dass es in Deutschland frühestens 2025 eine Auszahlungsmöglichkeit für solche Pauschalzahlungen gibt. Immerhin müssen Steuernummer und IBAN verknüpft werden.13 Zudem kann die Finanzverwaltung angeblich nur 100.000 Überweisungen pro Tag ausführen.14 Absurd, mit welchen Erklärungen der Finanzminister seine Willenlosigkeit zu erklären versucht. 

Seit 2022 gibt es in Österreich einen Klimabonus in Höhe von 145 € pro Erwachsener in einer städtischen Region. Für Menschen, die in Regionen mit weniger Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr leben, werden bis zu 290 € ausbezahlt.15 Eine solche Staffelung nach Region ist umstritten. Mehr Geld für mehr Autofahren? Die Befürworter sagen: »Menschen, die mehr Autofahren müssen, sollen einen höheren Klimabonus als Ausgleich erhalten.« Gegner sagen: »Ein höherer Klimabonus belohnt das fürs Klima schädliche Autofahren.« In Deutschland kennen wir eine ähnliche Diskussion – die um die Pendlerpauschale.

Podcast: Wo bleibt das Klimageld?

Gespräch mit Leonard Burtscher vom Umweltinstitut München e. V.
Zum oekom Podcast vom 17.09.2024

Wie hoch ist der CO2-Preis aktuell?

CO2-Preis in Deutschland: 45 €, im europäischen Emissionshandel (73 €, vom Umweltbundesamt empfohlener CO2-Preis: 237 € bzw. 809 €. Stand: 17.10.2024

Wie hoch muss der CO2-Preis sein?

  • CO2-Preis bei Ausgleich von privaten Emissionen z. b. via Atmosfair: 10 €
  • Marktpreis CO2 an der Börse: 63 € (Stand: 20.09.2024)16
  • Notwendiger CO2-Preis laut Umweltbundesamt: 250 €17

Laut High-Level Commission on Carbon Prices müsste für das Erreichen der Pariser Klimaziele der weltweite CO2-Preis im Jahr 2030 zwischen 50 und 100 Dollar liegen.18 Laut IWF müsste der CO2-Preis weltweit jetzt bei etwa 75 Dollar liegen, um annähernd das 1,5° Ziel von Paris zu erreichen.19

Im Europäischen Emissionshandel lag der Preis Anfang 2021 bei 30 Euro. Der bisherige Höchstwert wurde im Februar 2023 mit 100,47 € erreicht. Das Problem dabei ist, dass damit nur etwa 13 % der weltweiten Emissionen bepreist sind.

Die Schweiz, Lichtenstein und Schweden haben mit 120 € je Tonne die höchsten CO2-Preise in Europa.20 In China startete 2021 ein landesweites Emissionshandelssystem. Der Preis pro Tonne CO2 beträgt nur sieben Euro.21 Sieben Euro dürfte kaum ein Anreiz für Unternehmen sein, klimafreundliche Produktionsverfahren zu entwickeln. Das Freikaufen der eigenen Verschmutzung mittels Zertifikat ist billiger als die Dekarbonisierung eigener Prozesse. 

Pauschal gesagt muss der CO2-Preis so hoch sein, dass emissionsintensive Unternehmen finanziell gezwungen werden, Prozesse umzustellen. Etwa grünen Wasserstoff statt Kohle bei der Stahlherstellung zu verwenden. Nicht weil es klimafreundlicher ist, sondern weil es günstiger ist.

Ein ehrlicher CO2-Preis müsste laut Umweltbundesamt bei mind. 250 € liegen. Nur dann wären die Gesamtschäden in der Infrastruktur, an Eigentum, in der Landwirtschaft und der menschlichen Gesundheit annähernd abgedeckt. Andere Schätzungen veranschlagen bis zu 1.000 €.22 

Nachteil der Bepreisung ist der aktuell zu niedrige Preis. Unternehmen können sich aus der Verantwortung freikaufen, tatsächlich auf grüne Produktion umzustellen. 

Ein weiterer Nachteil ist die begrenzte regionale Einführung des CO2-Preises. Etwa 80 % aller Emissionen weltweit sind nicht bepreist. Hersteller von Fleisch, Zement, Stahl und Düngemittel können an nicht europäischen Standorten günstiger produzieren als Ihre Mitbewerber in der EU. Europäische Unternehmen leiden an Wettbewerbsnachteilen. Deswegen gibt es immer wieder die Idee eines globalen CO2-Preises.23 Dieser würde das Umweltdumping vermeiden – den Effekt, dass Unternehmen ihre CO2-intensive Produktion in Länder verlagern, in denen die Emissionen gering oder gar nicht bepreist werden. Ähnlich dem weltweiten Steuerdumping.

Wie erfolgreich ist der CO2-Preis?

Die weltweiten Kohlenstoffdioxidemissionen würden um zwölf Prozent fallen, wenn es einen weltweit gültigen CO2-Preis geben würde. Das geht aus einem Bericht des Weltwirtschaftsforums und der Beratungsgesellschaft PwC hervor. Die Kosten würde nur ein Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung kosten – ungefähr eine Billion Dollar.24 Die Schäden durch die Erdüberhitzung im Szenario »Weiter wie bisher« würden dagegen zwischen 13 und 19 Prozent betragen.25 In der Berechnung wird ein gestaffelter CO2-Preis zwischen 75 und 25 Dollar angesetzt. Je nach Wirtschaftsleistung würden die Nationen 75, 50 oder 25 Dollar je Tonne CO2 bezahlen müssen.

ThyssenKrupp erhöht den Recyclinganteil bei der Stahlherstellung. Für jede Tonne Schrott spart das Unternehmen eine Tonne CO2 und somit etwa 70 € für das Emissionszertifikat. Das Kölner Chemieunternehmen Lanxess baut eine Anlage zur Reduktion seiner Lachgas-Emissionen für 10 Millionen Euro und spart dabei 150.000 Tonnen CO2-Äquivalente ein. Zudem sollen bis zu 100 Millionen Euro in klimafreundliche Technologien investiert werden.26 Diese Beispiele zeigen, dass der CO2-Preis einerseits eine finanzielle Belastung für die energie- und emissionsintensive Industrie ist. Zugleich schiebt der CO2-Preis aber Innovationen für CO2-arme Prozesse an und wirkt als Wachstumstreiber. 

Es ist ein Mythos, dass die Bepreisung der Treibhausgasemissionen europäische Unternehmen ins Ausland vertreibt, wo sie kostenlos emittieren dürfen. Das ergab eine Untersuchung der Deutschen Bundesbank.27 Schon bei einem heutigen CO2-Preis von 65 € je Tonne lohnt es sich für viele Unternehmen, in grüne Prozesse zu investieren und Treibhausgase zu vermeiden, anstatt die Emissionszertifikate zu kaufen.

Warum ist für mich als Aktionär der CO2-Preis wichtig?

Nehmen wir das Beispiel BASF für das Jahr 2023. Das deutsche Chemieunternehmen emittierte 2023 ca. 16,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in den Bereichen Scope 1 und Scope 2.28 Das sind die Emissionen an den eigenen Standorten (Produktion). Bei einem CO2-Preis von 70 € (EU-ETS 1) musste BASF 16,9 Millionen Zertifikate für 1,18 Milliarden Euro kaufen. Das sind 1,71 % vom Jahresumsatz in Höhe von 69 Milliarden Euro.29 Bei einem CO2-Preis von 200 € je Tonne wären das schon 3,38 Milliarden € für Zertifikate oder 4,9 % des Umsatzes. Ein steigender CO2-Preis ist ein Risiko für Dich als BASF-Aktionär. Was ist die Alternative für BASF zu diesem Zertifikatekauf? Den CO2-Ausstoß der eigenen Produktion massiv zu reduzieren. Schafft BASF das? Bis wann? In welchem Umfang? Sind die Klimaziele von BASF glaubwürdig? Das musst Du als Investor beurteilen.

Wie klimaschädlich ist ein Geschäftsmodell? Dazu kannst Du die Kennzahl der Klimaintensität einsehen oder selber berechnen. Die Klimaintensität beantwortet die Frage, wie viel Emissionen ein Unternehmen pro eine Million Euro Umsatz erzeugt. Entsprechend hoch ist die finanzielle Belastung für europäische Unternehmen, diese Emissionen mittels EU-Emissionszertifikate auszugleichen. Wichtiger als der IST-Zustand ist die Frage, wie schnell sich das Unternehmen dekarbonisieren kann. Der CO2-Preis steigt in den nächsten Jahren bzw. werden weitere Emissionen mit einem CO2-Preis belegt. Unternehmen mit niedrigen Emissionen haben einen klaren Wettbewerbsvorteil. Dies kann bei der Auswahl einer Aktie eine wichtige Rolle spielen.

Wie kann ich als Anleger vom CO2-Preis profitieren?

Du kannst auf einen steigenden CO2-Preis wetten. Das Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU-ETS), in dem Zertifikate gehandelt werden, repräsentiert 87 % der weltweit gehandelten Emissionen. Es ist das größte Emissionshandelssystem, das für Anleger zugänglich ist. Über Partizipationszertifikate kannst Du vom CO2-Preisanstieg profitieren. Diese Wertpapiere bilden den CO2-Preis für Unternehmen am Europäischen Emissionshandel (EU-ETS 1) 1:1 über sogenannte Futures ab.

WisdomTree Carbon

JE00BP2PWW32

Partizipationszertifikat auf ICE EUA Future Dec 2024 (CO2) von Société Générale

DE000SH755G8

Europäischer CO2-Preis Chart

boerse.de/rohstoffe/Co2-Emissionsrechtepreis/XC000A0C4KJ2