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Klimaklage

Ölverbrennen rechnet sich nur, weil die daraus folgenden Schäden der Erdüberhitzung nicht in den Ölpreis eingerechnet werden. Diese Kosten werden in die Zukunft verlagert (Externalisierung). Erst wenn die Folgekosten in den Ölpreis einbezogen werden (Internalisierung), z. B. über einen CO2-Preis von 500 € pro Tonne, würde sich zeigen, dass Verbrenner-Autofahren und Ölverbrennungstätigkeiten wirtschaftlich unrentabel sind.

Wer zahlt für die Schäden? Der Verbrennerauto-Fahrende oder Big Öl? Beide! Nicht nur in Zukunft über einen angemessenen CO2-Preis. Sondern auch jetzt für die Schäden aus der Vergangenheit – die historischen Emissionen. Die neue Haltung lautet: Die Kosten für einen Schaden muss der Verursacher tragen.

Da die Politik nicht das Notwendige tut, um die Klimaziele von Paris zu erreichen, verlagern Klimaschutzaktivisten ihre Hoffnung auf Gerichte: Gerichtsurteile sind durchsetzungsfähiger als Empfehlungen von Klimaforschern. Das Leben ohne Klimastress, ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen und das Recht auf intakte Lebensgrundlagen (Luft, Wasser, Temperatur, Erde) wird von Gerichten zusehends als Grundrecht bestätigt.

Ende 2022 gab es laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen weltweit 2100 Klimaklagen. Die Anzahl dieser Klagen steigt. Einerseits geht es darum, Konzerne an den Folgekosten der Erdüberhitzung zu beteiligen. In anderen Klagen geht es darum, Regierungen zu mehr Klimaschutz durch schnellere und stärkere Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu verpflichten.

Eine Auswahl wegweisender Klimaklagen​

Klimaurteil 2021 gegen die deutsche Bundesregierung​

»Junge Menschen sind durch die aktuellen Regelungen im Klimaschutzgesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt.«

Die damalige Regelung im Klimaschutzgesetz von 2019 reichte nicht aus, um die deutschen Klimaschutzziele, die Klimaneutralität bis 2045, zu erreichen. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die damalige Regelung zu einem Aufbrauchen des CO2-Budgets bis 2030 führen würde. Treibhausgas-Reduktionen ab 2030 hätten so massiv ausfallen müssten, dass die Freiheits- und Schutzrechte der Menschen weit über das im Grundgesetz festgelegten Maße (Artikel 20 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden müssten (»Lockdown«). Deswegen muss Klimaschutz durch Emissionsminderung jetzt passieren und nicht erst später. Die Richter nannten das »Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität.«

Die Folge war, dass die Bundesregierung das 2019 beschlossene Klimaschutzgesetz anpassen musste. Im Mai 2024 wurde das überarbeitete deutsche Klimaschutzgesetz beschlossen. Mit dem neuen Klimaschutzprogramm werden die Maßnahmen geregelt, mit denen bis 2030 die Treibhausgase um 65 % und bis 2045 um 100 % (Klimaneutralität) verringert werden sollen. Jeweils gemessen zum Referenzjahr 1990.

Klimaseniorinnen klagen vor Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Schweiz

Der schweizer Verein »Klimaseniorinnen« verklagt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Schweiz auf mehr Klimaschutz. Sie argumentieren, dass die Schweiz nicht genug tue, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Zudem seien sie als ältere Frauen besonders von den Auswirkungen der Erdüberhitzung, wie etwa der steigenden Hitzebelastung, betroffen. Die Richter folgten den Begründungen und bestätigten, dass die Klägerinnen durch den unzureichenden Klimaschutz in ihren Menschenrechten verletzt werden. Die Schweiz muss nach dem Urteil strengere Klimaschutzmaßnahmen ergreifen. Konkrete Vorgaben mit Reduktionszahlen lieferten die Straßburger Richter nicht, um nicht zu weit in die Souveränität der Schweiz einzugreifen. Trotzdem geht das Urteil in die Justizgeschichte ein und sorgt weltweit für Aufsehen. Das Urteil könnte weitere Menschen motivieren, den Klageweg für mehr Klimaschutz zu nutzen.

Umweltorganisation »Milieudefensie« und 17.000 Bürger klagen gegen Shell ​

Die niederländische Umweltorganisation Milieudefensie und 17.000 Bürger klagten gegen den Ölkonzern Shell in Den Haag. Sie bekommen über 500.000 € an Spenden für die Gerichtskosten. Shell ist für 2,7 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.1 Im Mai 2019 entschied das Den Haager Bezirksgericht, dass Shell seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 reduzieren muss. Den Richtern zufolge kann nur dann das Pariser Klimaziel eingehalten werden.2 Es war das erste Urteil weltweit, bei dem ein Unternehmen per Gerichtsurteil zur Senkung seiner Treibhausgase verpflichtet wurde. Shell will das Urteil aus dem Jahr 2021 kippen. Im April 2024 läuft der Berufungsprozess.

Kalifornien verklagt große Ölkonzerne

Der US-Bundesstaat Kalifornien verklagt sieben Ölunternehmen, ExxonMobil, Shell, British, Petroleum, ConocoPhilips, Chevron und den Industrieverband »American Petroleum Institute (API)«. Der Vorwurf lautet: »Verbreitung von Falschinformationen zu den Risiken des Ölverbrennens«. Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom wirft den Ölkonzernen vor, die Erkenntnis über die Schäden der Ölverbrennung über 50 Jahre zurückgehalten zu haben, stattdessen Falschinformationen verbreitet zu haben und damit »enormen Kosten für die Menschen, Eigentum und natürliche Ressourcen« verursacht zu haben.3

»Können wir mit Jura den Planeten retten?​«​

Nora Markard, Professorin für Internationales Öffentliches Recht und Internationalen Menschenrechtsschutz an der Universität in Münster stellt in ihrem Buch »Jura not alone« die Frage «Klimaschutzrecht – Können wir mit Jura den Planeten retten?«. Sie beschreibt, wie Gerichte das aus der Wissenschaft berechnete CO2-Budget für Deutschland hernehmen und prüfen, ob die Maßnahmen der Emissionsreduzierung ausreichen und gerecht über alle Generationen verteilt werden. Als Grundlage dient die Frage, ob Deutschland mit seinen Maßnahmen innerhalb des CO2-Budgets handelt, das dem Land noch zusteht, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Die Rechtswissenschaftlerin kommt zu dem Schluss, dass Klagen gegen Politiker zur Einhaltung von CO2-Budgets ein effektives Mittel für den Klimaschutz sind. Jedoch werden Tempolimit, CO2-Preis und Wärmepumpe zunehmend als Gängelung, und als ungerecht empfunden und der wirtschaftliche Mehrwert ist nicht ersichtlich. Politiker opfern ihre Beliebtheit und damit verbundene Wählerstimmen nicht gerne für Klimaschutzmaßnahmen und rufen eher »Aus für das Verbrenner-Aus«. Die kurzen Legislaturperioden von Regierungen passen nicht zu den langfristig notwendigen Klimaschutzmaßnahmen, die über mehrere Jahrzehnte festgelegt werden müssen.