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Petromaskulinität

petromasculinity
Petroleum = Erdöl
Maskulinität = Männlichkeit
alternativ: Petro-Männlichkeit oder Ölmännlichkeit

Petromaskulinität beschreibt die toxische Mischung von weißer, hegemonialer Männlichkeit mit dem Festklammern an fossilen Brennstoffen, Klimawandelleugnung, Überheblichkeit, Rassismus und Frauenfeindlichkeit. Der Begriff stammt von der amerikanischen Politikwissenschaftlerin Cara Daggett. Sie verwendete diesen Begriff 2018 in Ihrem Essay »Petro-masculinity: Fossil Fuels and Authoritarian Desire«, um Männer zu beschreiben, die das Verfeuern von Öl als Identifikationstätigkeit verteidigen. Zudem legt Dagget in ihrem Essay dar, wie das hartnäckige fossile Brennstoffsystem die Herrschaft des Patriarchats festigte.

Die Notwendigkeit, das Kohlenstoffdioxid-Zeitalter zu beenden, nötigt bestimmte Männer einen Teil ihrer Identität aufzugeben. Das Ideal des starken Mannes, der Rindfleischberge grillt, Biere kippt, seinem V8 nur Aral Ultimate 102 gönnt, um ein paar mehr Km/h VMAX zu erreichen, seinen Bizeps, Trizeps und Sixpack pflegt, wird infrage gestellt.

Es gibt empirische Studien, die insbesondere in den USA, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem männlichen Geschlecht und marktradikalen und sozialdarwinistischen Einstellungen nachweisen.

Die Studie »The gender gap in carbon footprints: determinants and implications« kommt zum Ergebnis, dass Männer 26 % mehr Treibhausgase ausstoßen als Frauen. Warum? Männer essen mehr rotes Fleisch und fahren mehr und größere Autos: Mercedes M-Klasse, BMW X5 und Porsche Cayenne statt VW UP.

Ein Beispiel für Petromaskulinität ist das »Rolling Coal« (rollende Kohle) in den USA. Männer tunen ihre Pickups mit großem Dieselmotor so, dass beim Durchtreten des Gaspedals mehr Treibstoff in den Motor eingespritzt wird. Aus den Endrohren ballert eine übergroße Rußwolke. Besonders gerne vernebeln die Petrol Boys Fahrradfahrende, Fußgängerinnen und Elektroautos. Diese dekarbonisierten Verkehrsmittel stellen die Petromaskulinität infrage.

JD Vance und der frauenfeindliche Influencer Andrew Tate verwenden den Begriff »Soy Boy«. Damit meinen sie Männer, die das Geschlechterbild »Ein Mann muss Ölverbrennen, Rinder essen und First Class fliegen« ablehnen und über lieber über ihre Erfahrungen mit dem Lastenrad, der minimalistischen Wohnung und der Vaterrolle sprechen.

»Die Öl- und Gasbranche hat seit 1970 etwa drei Milliarden Dollar pro Tag Gewinn – nicht Umsatz! – gemacht. Jeden Tag, sieben Tage die Woche, seit über 50 Jahren. Die Fossilbranchen, die eine Billion Dollar Gewinn im Jahr machen, bekommen dafür 1,3 Billionen Dollar explizite Subventionen. Diese Verzerrung ist aberwitzig. Dass sie selbst gut informierten Leuten unbekannt ist, ist ein erstaunlicher Propagandaerfolg der Fossilindustrie und ihrer Handlanger in Politik und Medien.«

Christian Stöcker, in einem Interview auf energieverbraucher.de

Bildquelle: ullstein.de

Christian Stöcker

Männer, die die Welt verbrennen

Ullstein
2024

Das Buch zur Diskussion um Carbon-Chauvinismus und Petromaskulität kommt von Christian Stöcker.

Die globale Allianz der Verbrenner besteht laut dem Fachhochschul-Professor und Spiegel-Kolumnist aus einem Geflecht aus Medienunternehmern, Politikerinnen und Politikern, Lobbyisten, Wissenschaftlern, Agenturen, Anwaltskanzleien, Thinktanks, Stiftungen, Industrieverbänden und einigen wenigen extrem reichen Menschen. Prominente Vertreter sind Wladimir Putin, Donald Trump bis hin zu Rupert Murdoch und Mohammed bin Salman. Sie verbrennen mit der Leugnung des Klimawandels und ihrer Förderung der fossilen Industrie die Lebensgrundlage der Erde. Sie profitieren mit ihren fossilen Geschäftsmodellen, dass der fossile Verbrennungspfad in Richtung 8° Erdüberhitzung noch lange nicht verlassen wird.

Beim Lesen des Buches über die finanziell motivierte Petromaskulinität fällt einem der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing ein. Er blockiert einfach um zu setzende und in der Bevölkerung unterstützte Maßnahmen wie ein Tempolimit mit möglichen Einsparungen von rund 6,7 Millionen Tonnen ⁠CO2-Äquivalente pro Jahr. Damit reißt der Politiker wiederholt die Emission-Reduktionsziele im Sektor Verkehr. Stattdessen poltert er, dass Fahrverbote drohen, wenn die Klimaschutzziele im Verkehr erreicht werden sollen. Um das zu vermeiden, müsse das Klimaschutzgesetz aufgeweicht werden und der Verkehrssektor durch die Abschaffung von Sektorenziele aus der Verantwortung genommen werden.

Eine ähnliche Situation beschreibt Christian Stöcker auf Seite 15 seines Buches: Im Jahr 2023 verkündete die Internationale Energieagentur (IEA), dass die Nachfrage nach Öl und Gas um das Jahr 2030 ihren Gipfelpunkt erreicht, den Peak Oil. OPEC-Generalsekretär Haitham Al Ghaiswar fühlte sich provoziert. Er drohte, dass solche Erzählungen das Energiesystem in die Gefahr bringen, »spektakulär zu scheitern«. Er warnte vor einem »Energiechaos von einem nie dagewesenen Ausmaß, mit schlimmen Konsequenzen für Volkswirtschaft und Milliarden Menschen«. Damit meinte er nicht die tödlichen Folgen und Schäden von bis zu 800 Euro pro Tonne CO2 (Umweltbundesamt) durch die Erdüberhitzung, sondern die finanziellen Einbußen für seine fossile Branche.

Christian Stöcker zeigt, wie männliche Lobbygruppen viel Arbeit und Millionenbeträge in aggressive Desinformationskampagnen stecken, um den Klimawandel zu leugnen und die Dekarbonisierung ausbremsen. Wie beispielsweise das Atlas Network – ein Netzwerk aus 200 Denkfabriken, die sich für wirtschaftliche und persönliche Freiheit einsetzt. Es wird von Ölkonzernen wie dem US-amerikanischen Unternehmen ExxonMobil oder superreichen Industriellen wie Charles Koch finanziert.

»Allein die fünf größten börsennotierten Erdölproduzenten der Welt, die Unternehmen ExxonMobil (USA), Shell (früher Niederlande, seit 2022 Großbritannien), Chevron (USA), Total (Frankreich) und BP (Großbritannien), machten im Jahr 2022, trotz Coronapandemie, zusammen 200 Milliarden Dollar Gewinn – nicht Umsatz! Sie erreichten damit einen historischen Rekord, und das, obwohl 2022 die katastrophalen Auswirkungen der Erderhitzung bereits weltweit zu besichtigen waren.«

Christian Stöcker: »Männer, die die Welt verbrennen« | Seite 11

Die großen Ölkonzerne und Petrostaaten verdienen seit 1970 eine Billion US-Dollar im Jahr. Pro Tag sind das drei Milliarden Gewinn.1 Zusätzlich erhalten sie 1,3 Billionen US-Dollar an expliziten Subventionen pro Jahr. Sie tun alles dafür, dass dies so bleibt und wälzen die Verantwortung auf den Konsumenten ab.

Neben den erschreckenden Zahlen über die Milliardengewinne durch die Ölförderung hat der Autor auch einen Lichtblick: 2022 waren weltweit 80 Prozent der neu zugebauten Erzeugungskapazität für Energie erneuerbar.

Mit »Männer, die die Welt verbrennen« legt Christian Stöcker das Aufklärungsbuch zum Niedergang des Ölzeitalters und zum Aufstieg der Dekarbonisierung vor.

Leseprobe (PDF) auf ullstein.de