Schadschöpfung
Man kann die Karriere der Menschheit als Aneinanderreihung von Wirtschaftswundern sehen: In der neolithischen Revolution entwickelten sich die produzierenden Wirtschaftsmethoden wie Ackerbau und Tierhaltung. In der ab 1850 von England ausgehenden Industrialisierung begann das massenhafte Verbrennen von Kohle und Öl. Die Erfindung des Automobils 1886 legte den Grundstein für das deutsche Wirtschaftswunder in der Nachkriegszeit. Mit seiner Ikone, dem VW-Käfer und dem Werbeslogan »Er verbrennt, verbrennt und verbrennt«.

In der New Economy traf Gier auf Technologie und die Blase des Neuen Marktes platzte. Nur 10 Jahre später begann der Aufstieg der »Magnificent Seven«: Apple, Alphabet, Amazon, Meta, Microsoft, Tesla, Nvidia. Unternehmen, die heute mit Billionenbewertungen den Aktienmarkt dominieren.

Zugleich kann man die letzten 200 Jahre des Menschen als Schadschöpfungs-Story lesen: Ein Junkie, der Kohle, Öl und Gas verbrennt und damit Billionenumsätze erreicht. Ein nie endender Energie-Trip, eine dauerhafte High-Phase der billigen Energie. Um seine 1,9 Milliarden Server zu betreiben, seine 1.475 Milliarden Autos zu bewegen1, seine 3,7 Milliarden Gebäude zu beheizen und zu kühlen2, 4,2 Milliarden Tonnen Zement und 1,9 Milliarden Tonnen Stahl pro Jahr herzustellen.3 Dabei bekam der Mensch Hunger und züchtete bisher 30 Milliarden Nutztiere.4
Schadschöpfung ist die Tätigkeit des Verbrennens von Kohle, Öl und Gas. Dies verursacht den Treibhauseffekt. Dieser wiederum führt zur Erdüberhitzung und Schäden durch Starkregen, Dürren und Krankheiten, sowie Ernte- und Produktionsausfälle, Biodiversitätsverlust und Wasserstress. Rechnet man alle Schäden zusammen erhält, man das »Schadensinlandsprodukt«. Es ist das Gegenteil des durch Wertschöpfung in der Wirtschaft berechneten Bruttoinlandsprodukt – der Summe aller geschaffenen Produkte und Dienstleistungen.
In Deutschland verursachen fossile Geschäftsmodelle Schäden in Höhe von zwei Dritteln der gesamten Steuereinnahmen des Landes.5 Die Wirtschaftsleistung der Automobilbranche in Deutschland beträgt 507 Milliarden Euro pro Jahr.6 Die durch Autos verursachten Schäden wie Verschmutzung, Lärm und Emissionen liegen laut Greenpeace bei 270 Milliarden Euro pro Jahr.
Wohlstandsgewinne werden in die menschliche Tätigkeits-Bilanz einbezogen (Wohlstand-Haben-Seite). Wohlstandsverluste (Verbindlichkeiten) werden aus der Bilanz herausgehalten. Man spricht in diesem Fall von der Externalisierung der Kosten auf die nächsten Generationen.
Die Schäden nicht in eine solche Bilanz einzurechnen, ist ein gewaltiges Verdrängungskunstwerk der Menschheit. Dieser Bilanzbetrug ist so gigantisch, dass er kaum bemerkt wird. Die Dekarbonisierung zu verlangsamen (z. B. CDU will Verbrennerverbot ab 2035 kippen) ist Insolvenzverschleppung in der Nachspielzeit des aktuellen Wirtschaftsmodells.
Trotz dieser Offensichtlichkeit der Schadensgenerierung durch fossile Geschäftsmodelle spricht bisher niemand von »Schadensinlandsprodukt«. Was jedoch in den letzten Jahren vermehrt aufkommt, sind Studien und Berechnungen zu den Folgekosten. Was wird es uns kosten, wenn wir uns weiterhin im Öl-Verbrennen austoben? Diese fossile Party kostet uns bis 2050 etwa 19 % Einkommensverlust pro Jahr, das entspricht 38 Billionen Dollar. Die Alternative zu dieser Schadensgenerierung liefert der PIK-Forscher und Autor der Studie Maximilian Kotz gleich mit. Wir müssten nur ein Sechstel dieser Summe in die Dekarbonisierung investieren, um diese Schäden zu vermeiden.7
In einer ehrlichen Bilanzierung darf sich das Verschmutzen nicht mehr lohnen. In einer ungeschönten Bilanz werden die Schadensverursacher haftbar gemacht. Etwa durch einen Klimafonds für Entwicklungsländer oder mittels Klagen gegenüber Fossilunternehmen auf Strafzahlungen.
Quellen
- hedgescompany.com
- ciesin.org
- worldsteel.org
- ourworldindata.org
- Christian Stöcker: Männer die die Welt verbrennen | Seite 34 | Ullstein, 2024
- de.statista.com
- pik-potsdam.de