Stimmrechte-Ausübung
Die Stimmrechte-Ausübung ist ein Engagement-Ansatz, bei dem ein »aktivistischer Investor« Aktien kauft, um Einfluss auf die Unternehmensentwicklung zu nehmen. Es ist der Gegenentwurf zum Ausschlussverfahren, wie es bei ESG- und SRI-ETFs eingesetzt wird. Der Index-Anbieter schließt dabei nicht nachhaltige Unternehmen oder, in strikteren Fällen, ganze Branchen von Investitionen aus.
Ein Aktienunternehmen muss einmal im Jahr eine Hauptversammlung veranstalten. Auf dieser kannst Du als Aktionär deine Stimmrechte einsetzen. Beispielsweise, um das Unternehmen zu mehr oder weniger Umwelt- und Klimaschutz zu bewegen.
Normalerweise entspricht eine Aktie einer Stimme. Als privater Investor ist dein Einfluss entsprechend gering. Größer ist der Einfluss von ETF- und Fond-Anbietern, welche die Aktien des Unternehmens in Ihren Anlageprodukten halten. Die Menge der Aktien ist größer, die Anzahl der Stimme entsprechend höher. Vanguard hält z. B. 3,5 % der Shell-Aktien.1 BlackRock verwaltet für seine Anleger etwa 6,9 % der ExxonMobil-Aktien.2 Durch den Einsatz Ihrer vielen Stimmrechte verfügen ETF-Anbieter über einen hohen Einfluss auf das Unternehmen. Sie können für die Dekarbonisierung des Geschäftsmodells stimmen. Oder Trump erfreuen und diesen »woken ESG-Shit« ablehnen.
Die Emissionsmonster – kaufen und drängen oder ausschließen?
Laut dem Carbon Majors Report verursachten die 100 größten Unternehmen der Welt seit 1988 etwa 70 % der weltweiten CO2-Emissionen.3 Dieser Hebel müsste betätigt werden, um die Emissionen dieser Emissionsmonster zu reduzieren. Die Aktien dieser Firmen zu kaufen z. B. Shell, ExxonMobil, Coal India und per Stimmrechtsausübung in Richtung CO2-Reduktion zu bringen wäre eine große Chance auf Emissionsreduzierung.
Warum geben manche ETF-Anbieter die Stimmrechte zurück an die Anleger?
Vanguard ist einer der größten ETF-Anbieter weltweit. Er verwaltet ein ETF-Vermögen von 1,9 Billionen Dollar.4 Im Jahr 2024 begann Vanguard, Stimmrechte an die Anleger zurückzugeben, anstatt diese gebündelt auszuüben. Laut Vanguard sind die Anforderungen der Anleger so unterschiedlich und gegensätzlich, dass eine gemeinsame Ausrichtung durch den ETF-Anbieter kaum mehr möglich ist. Als Aktionär kannst du dich für eine diese Richtungen entscheiden:
- Ich will Profit – alles andere ist mir egal
- Ich überlasse meinem ETF-Anbieter die Entscheidung
- Ich unterstütze die Entscheidungen des Managements
- Ich bevorzuge ESG-Faktoren wie Klimaschutz, Soziales und gute Unternehmensführung
- Ich bin neutral
Im ersten Schritt übertrug Vanguard die Stimmrechte von fast vier Millionen Kleinanlegern, die Aktien im Wert von 250 Milliarden US-Dollar halten, zurück an die Anleger.5 Ähnlich verhält sich BlackRock und Street Global Advisors. Sie geben ihren Anlegern verschiedene Möglichkeiten, ihre Stimmrechte wieder selbst auszuüben.
Welche Beispiele gibt es für die Ausübung von Stimmrechten in Bezug auf Klimaschutz?
ExxonMobil
Im Jahr 2021 gelang es der kleinen Investmentfirma Engine No. 1, die Unterstützung anderer Aktionäre zu gewinnen und drei Sitze im Vorstand von ExxonMobil zu sichern. Die Forderung: ExxonMobil sollte seine langfristige Strategie ändern, um die Emissionen gemäß den Zielen des Pariser Abkommens zu reduzieren, mehr in erneuerbare Energien zu investieren und die Risiken des Klimawandels zu mindern.6
Dieser Vorgang wurde als Sieg für die Klimabewegung angesehen. Er zeigte, dass kleinere Aktionärsgruppen großen Einfluss auf große Unternehmen ausüben können.
Royal Dutch Shell
Im Jahr 2021 entschied das Bezirksgericht in Den Haag, dass Shell seine weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 um 45 % im Vergleich zu den Werten von 2019 reduzieren muss. Geklagt hatte die Nichtregierungsorganisationen Milieudefensie. Zahlreiche Aktionäre unterstützen diese Klage.
Das Gericht entschied, dass Shell nicht nur die Emissionen an eigenen Produktionsstandorten (Scope-1), sondern auch die indirekten Emissionen aus der Energie, die es kauft (Scope-2), und die Emissionen aus den Produkten, die es verkauft (Scope-3), reduzieren muss.
Auch wenn im Jahr 2024 das Urteil vom Berufungsgericht in Den Haag aufgehoben wurde7, zeigte der Fall, dass Aktionäre und die Zivilgesellschaft einen Einfluss auf die großen Emittenten der Gegenwart nehmen können. Die Kläger zogen mit dem Fall im Februar 2025 vor das höchste Gericht in den Niederlagen – den Hohen Rat.8
Volkswagen
Im Jahr 2022 reichten Volkswagenaktionäre rund um den schwedischen staatlichen Pensionsfonds AP7, AP2, AP3, AP4, die dänische AkademikerPension und das Church of England Pensions Board, eine Klage gegen Volkswagen ein. Sie forderten mehr Transparenz über die Lobbyaktivitäten des Automobilkonzerns, die den Klimaschutz betreffen. Die Kläger warfen dem Wolfsburger Konzern vor, öffentlich ein nachhaltiges Image zu pflegen. Durch die Mitgliedschaften in Automobil- und Wirtschaftsverbänden nehme Volkswagen politischen Einfluss, um klimapolitische Ziele, wie zum Beispiel den Flottengrenzwert zu verhindern, abzuschwächen oder zu verzögern.9 Die klagenden Aktionäre verfolgen das Ziel, dass Volkswagen seine Satzung ändert, um eine Berichtspflicht zur Nachhaltigkeit aufzunehmen.
Es war der erste Fall in Europa, bei dem Investoren eine Klage zu einem klimabezogenen Thema eingereicht haben.
Bildquelle: penguin.de
Jürgen Resch
Druck machen!: Wie Politik und Wirtschaft wissentlich Umwelt und Klima schädigen – und was wir wirksam dagegen tun können
Ludwig Buchverlag
2023
»In Deutschland regiert die Automobilindustrie.«
Über die Verflechtungen der deutschen Automobilindustrie mit der Politik und dem Kraftfahrt-Bundesamt, die beim Diesel-Gate sichtbar wurden, schreibt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, in seinem Buch »Druck machen!«.