Stranded Assets
Würde das gesamte bisher entdeckte Öl und alle Kohlevorkommen verfeuert werden, könnte die globale Temperatur um bis zu 15° steigen.1
Kohle- und Ölunternehmen führen bisher nicht erschlossene Ölfelder als Werte in ihrer Bilanz. Diese Buchwerte tragen zur Unternehmensbewertung (Marktkapitalisierung) bei. Die Summe aller in Bilanzen geführten Öl- und Kohlevorkommen betragen weltweit 2.800 Gt CO2. Laut Carbon Action Tracker dürfen noch maximal 565 Gt CO2 emittiert werden, wenn das 2° Ziel eingehalten werden soll.2 Somit sind 80 % des in den Bilanzen enthaltenen Öl- und Kohlevorkommen theoretisch wertlos. Das Risiko für die Unternehmen besteht darin, dass die Förderung der Öl- und Kohlevorkommen politisch und regulatorisch verboten werden könnte. Ein anderes Risiko-Szenario ist, dass der CO2-Preis innerhalb kurzer Zeit so weit steigt, dass sich die Förderung der Ölvorkommen nicht mehr lohnt. In diesem Fall müssten diese Werte abgeschrieben werden. Man spricht von einer »Carbon Bubble«. Für manche ölfördernde Unternehmen könnte dieses Szenario das wirtschaftliche Aus bedeuten.
Zu den gestrandeten Werte zählen nicht nur die fossilen Primärrohstoffe wie Kohle und Öl, sondern auch sämtliche technische Förderinfrastruktur und Vertriebsnetze (Tankstellen), die unerwartet schnell und stark im Wert fallen bis hin zur Wertlosigkeit. Stranded Assets bringen keinen Ertrag mehr.
Ein anderes Beispiel sind Atomkraftwerke in Frankreich. Diese mussten in den vergangenen Sommern teilweise zurückgefahren werden. Die Flüsse führten aufgrund von Hitze und Dürren nicht genug Kühlwasser.3 Hält dieser Zustand über mehrere Monate an, kann der Punkt erreicht sein, an dem die Auslastung der Kraftwerke so gering ist, dass der Betrieb sich nicht mehr lohnt. Ein Atomkraftwerk könnte zu einem Stranded-Asset verfallen.
Ein drittes Beispiel sind Produktionsanlagen für Autos mit Verbrennungsmotor. Können diese auf die Produktion von Elektrofahrzeugen umgestellt werden? Schafft das Unternehmen die Transformation? Besonders im Blickpunkt stehen dabei die Zulieferer, wie zum Beispiel Continental oder Valeo. Diese haben in den letzten Jahrzehnten große Gewinne mit der Fertigung von Teilen für Verbrenner-Autos erlöst. Sollten wie geplant ab 2035 keine neuen Verbrenner-Autos mehr in der EU zugelassen werden dürfen4, stehen diese Unternehmen vor einer großen Herausforderung zur Umstellung auf Elektromobilität.
Ebenfalls betroffen sind Immobilien. In Regionen mit hohem Hochwasserrisiko oder mit extremer Hitzebelastung könnten die Immobilienpreise fallen – im Extremfall bis auf null. Aufgrund der hohen Hitze-Konzentration werden Dachgeschosswohnungen immer unbeliebter.5 Das hat wirtschaftliche Auswirkungen für die Vermieter und Eigentümer. Die Mietpreise sinken oder es gibt keine Mieter mehr für Dachgeschosswohnungen. Die finanzielle Rentabilität und der Wert der Immobilie fallen.
Im Umkehrschluss steigt die Nachfrage von Investoren und Käufern nach Grundstücken und Immobilien in kühleren Regionen wie Neuseeland, Schweden, Norwegen oder Grönland.
Wie hoch ist das Stranded Asset Risiko des Unternehmens, in das du investieren willst?
- Wie stark ist das Unternehmen von einer platzenden oder schnell abnehmenden Carbon-Bubble betroffen? Spiegelt der aktuelle Unternehmenswert dieses Risiko wider?
- Wie klimaresistent ist das Unternehmen? Wie wirkt sich ein stark steigender CO2-Preis auf die Leistung des Unternehmens aus? Wie hoch ist der Anteil des fossilen Geschäftsbereichs, der davon betroffen ist?
- Wie hoch ist die Abhängigkeit von fossilen Subventionen?
- Wie könnten sich neue Gesetze und Regulierungen, fallende Preise für grüne Technologien und sich verändernde soziale Normen und Verbraucherverhalten auf das Geschäftsmodell auswirken?
- Hat das Unternehmen eine glaubhafte Strategie zur Reduzierung der Emissionen bis hin zur vollständigen Dekarbonisierung?